Das wäre was: Professionelle psychosoziale Hilfen erhalten unter der Überschrift "Qualität" endlich die öffentliche Aufmerksamkeit, die sie verdienen. Stattdessen ist wie die Pest eine Entwicklung losgetreten, die Qualität am liebsten mit Kostenreduzierung gleichsetzt, kaschiert und vernebelt mit Begriffen wie Qualitätsmanagement oder gar Total Quality Management. Es nützt jedoch kein Klagen und Albert Lenz weist im Vorwort des hier besprochenen Buches zurecht darauf hin, daß "nur durch eine offensive Beteiligung (...) einseitig auf quantitative Meßbarkeit und primär auf Kosteneinsparung ausgerichtete Strategien verhindert werden (können)" (S.10).
In diesem Sinne ist das von Kurt Pelzer auf den Weg gebrachte Buch "Reflektierte Praxis" ein gutes Beispiel dafür, wie Institutionen psychosozialer Hilfe ihre Vorstellungen von Qualität und ihr Engagement für das kontinuierliche Reflektieren dieser Vorstellungen und deren Umsetzung öffentlich machen können. Gewonnen wird damit nicht nur Transparenz und Entmystifizierung psychosozialer Hilfepraxis, sondern darüber hinaus Ermutigung, für ein Verständnis von Qualität einzustehen (und zu kämpfen?), das den Beteiligten nutzt und gerecht wird. Es geht darum, deutlich zu machen, daß und wie gemeinsam etwas ausgerichtet werden kann.
"Reflektierte Praxis" schildert Anfänge, Verlauf und Ergebnisse vieler, durch das Thema Qualitätssicherung gebündelter Suchprozesse, die das Team des Psychosozialen Beratungszentrums in Düren in den letzten Jahren miteinander gestaltet hat. Methodische Grundlagen sind die Überlegungen zu einem partizipativen Qualitätsmanagement, wie sie von Florian Straus und anderen als "Münchener Modell" entwickelt wurden. Entscheidend ist dabei, daß Qualität nicht per Dekret von oben definiert, sondern miteinander entwickelt wird. Das Profil dieser Art Qualität ergibt sich nicht aus den jeweils erreichten Inhalten (sie sind stets Grundlage für nächste gute Schritte), sondern aus dem Weg, auf dem es zu diesen Inhalten kommt. Fast zwangsläufig wird auf diese Weise Respekt und Respektieren zu einem wesentlichen Kennzeichen. Und so geht auch nicht verloren, "daß Fürsorglichkeit und Menschlichkeit als zentrale Ressource sozialer Arbeit gewürdigt und erhalten werden" (S.29).
Insgesamt wird das Vorgehen und die Ergebnisse von sechs Arbeitsgruppen vorgestellt: Klientenbefragung, Anmeldung, Leitbild, Qualitätszirkel, Koordination und Präsentation, sowie Dokumentation. Am spannendsten waren für mich die Kapitel zu Anmeldung (auf dem Hintergrund konzeptioneller Unterschiede zu meinem Arbeitsplatz) und Leitbild (insbesondere durch das Einbeziehen der Vorstellungen des Trägers der Einrichtung, beneidenswert qualitätvoll übrigens).
Nicht immer liest sich der Text leicht. Das Studium der Fragebogenergebnisse, der vielen Grafiken u.ä. wird sicherlich besonderes Interesse am Thema voraussetzen. Wer sich auf einer solchen Grundlage allerdings darauf einläßt, könnte manchen interessanten Hinweis erfahren, etwa den, daß ca. 40% der befragten KlientInnen ihr Anliegen nach dem ersten ausführlichen Gespräch als erledigt betrachteten.
Insgesamt: Kurt Pelzer hat mit diesem Buch einen verdienstvollen Schritt getan, der hoffentlich viele KollegInnen ermuntern wird, ihre eigene Praxis zu reflektieren. Meine Hoffnung ist es, daß auf diese Weise ein tragfähiges Netz entsteht, das dazu verhilft, menschenwürdige Qualitätsvorstellungen in den Vordergrund zu rücken.
Wolfgang Loth (Bergisch Gladbach)
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