Wolfgang Loth (1998):
"AUF DEN SPUREN HILFREICHER VERÄNDERUNGEN"
Dortmund: Verlag modernes lernen


Zusammenfassung

(Auszug aus dem Kapitel: "Was sich so anbahnt") 


In den folgenden Kapiteln orientiere ich mich an den Dimensionen Prämissen, Handeln und Evaluation. Ich wähle dabei aus. Weder will noch kann ich den gesamten Bereich ausleuchten, noch gehe ich davon aus, alle wichtigen Fragen beantworten zu können. Ich versuche, einen Überblick darüber zu verschaffen, wie und woran ich mich in dieser zunächst einmal unbegrenzt erscheinenden Herausforderung des Praxisalltags orientiere.

Unter der Überschrift Prämissen setze ich mich mit drei Gesichtspunkten auseinander. Zunächst geht es mir um gesellschaftlich-institutionelle Rahmenbedingungen. Dabei spielen für mich neuere rechtliche Entwicklungen und Themen eine Rolle, wie auch - davon nicht unberührt - Überlegungen zum Begriff "Kontrolle". Eine weitere wichtige Rahmenbedingung ist für mich die Entwicklung der Theoriediskussion, ihre Ausgestaltung und Bedeutung für die Praxis. Ich gehe dabei näher auf sozial-konstruktionistische Positionen ein, sowie auf Herausforderungen für die Praxis durch postmoderne Entwürfe. Mir scheint, daß die Profession "Psychosoziale Hilfe" sich entschieden auf die Hinterbeine stellen muß, um sich im doppelten Würgegriff von politisch-gesellschaftlichen (Deformations-)Vorgaben und wissenschaftlich-zeitgeistigen (Strömungs-)Verhältnissen zu behaupten.

Als Startprämisse in Richtung praxisbezogener Überlegungen nähere ich mich anschließend dem Thema Kommunikation und soziale Systeme. Luhmanns Theorie sozialer Systeme (1984) und Ludewigs Mitglieds-Konzept (1992) weisen mir hier den Weg. In einem nächsten Schritt geht es um Kommunikation-im-Kontext. Dies mündet in ein Konzept, das eine Einheit "Benannte Menschen" beschreibt. Ich wende dieses Konzept auf die Themen "Gesundheit" und "Gewalt" an, um darzustellen, wie es sich als Beschreibungshilfe bei komplexen Fragestellungen eignet.

Kernstück der Dimension Handeln stellt für mich das Entwickeln Klinischer Kontrakte dar. "Klinische Kontrakte entwickeln" scheint mir ein angemessenes Bild für die Geschehnisse zu sein, bei denen sich aus einer Fülle von Möglichkeiten - die eben auch beklagte Möglichkeiten enthalten - neue Perspektiven und konkrete Veränderungsschritte ergeben. Auf zwei Gesichtspunkte möchte schon hier hinweisen: zum einen sind Klinische Kontrakte keine neue Erfindung. Zum anderen wird das Entwickeln Klinischer Kontrakte hier nicht als eine Technik gesehen und vorgestellt - trotz des Veranschaulichens in Form von Flußdiagrammen. Es ist vielmehr - so wie ich es verstehe - eine Haltung, die eine Form findet. "Klinische Kontrakte entwickeln" gilt hier als die Einheit, das gemeinsame Arbeiten daran, nicht "Klinische Kontrakte" als abhakbare Arbeitsvoraussetzung.

Ein wesentlicher Bestandteil des Entwickelns Klinischer Kontrakte ist das Ausgehen von den Anliegen Hilfesuchender und das Erarbeiten von passenden Aufträgen. Das Konzept der Kundigkeit der Hilfesuchenden (Hargens 1995) ist dabei von grundlegender Bedeutung, und findet seinen Ausdruck in einer Optik, die auf Ressourcen fokussiert. In dieser Sichtweise wird es möglich, auch das zeitweise Verharren in Problembezügen als Ressource anzunehmen und zu respektieren. Sich von etwas zu lösen, ist oft Thema beim Entwickeln Klinischer Kontrakte, aber nicht normative Voraussetzung. Die angestrebte Sollbruchstelle beim Entwickeln Klinischer Kontrakte ist das Ergebnis "Kontrakt erfüllt", wenn sich beim gemeinsamen Überprüfen des Kontrakt-Status Übereinstimmung darüber erzielen läßt.

Dies leitet über zu der dritten Dimension: Evaluation. Die Frage "Wie kann professionelle psychosoziale Hilfe überprüft werden?" steht hier zur Debatte. Diese Frage macht deutlich, daß es sich dabei um einen weiter gesteckten Rahmen handelt als es beim Überprüfen des Kontrakt-Status der Fall ist (als einem wichtigen Bestandteil des Entwickelns Klinischer Kontrakte). Es geht mir hier um Evaluation-im-Kontext. Dies bedeutet: die Schnittstelle zwischen professionellem Handeln und gesellschaftlicher Legitimation und Kontrolle wird aktiv. Dies bedeutet weiter: Die Dimension Evaluation erweist sich hier als Fortsetzung der Dimension Prämissen mit einem besonderen Themenschwerpunkt. Evaluation wird hier in einem Kontext von zeitspezifischen Konventionen über Wissenschaft, Werte und Notwendigkeiten gesehen. Thematisch geht es dabei um Kundenorientierung, um Qualität und um Forschungsfragen. In solche Zusammenhänge ordnen sich dann Möglichkeiten zum Spurensammeln ein, wie auch Möglichkeiten einer kontraktorientierten Leistungsbeschreibung.


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